Frau Schletterer singt nicht mehr

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Gut, wenn man miteinander spricht!
11.11.2023 17:32

Heute habe ich was erlebt, das ich fast schon faszinierend nennen möchte.
Jedes Jahr veranstaltet unsere Kirchengemeinde am Vorabend des 1. Advent eine Art Konzert, bei dem jeder, der möchte, seinen Beitrag beisteuern kann. Es wird also offen dazu aufgerufen, mit einem Musikstück gleich welcher Art in diesem Konzert aufzutreten. Naja, es sollte schon irgendwie zum Advent passen, aber enger sind die Vorgaben nicht. Auch ein Mindestniveau wird nicht erwartet, die „Bühne“ steht wirklich jedem offen. So spielten im letzten Jahr z. B. zwei Buben ein Trompetenduett, das die beiden tatsächlich als blutige Anfänger „outete“, mit all den schiefen Tönen und verkrachten Lauten, die einen Trompetenanfänger ausmachen. Aber das war den Zuhörern egal – die beiden haben ihr Bestes gegeben, sie haben ihr Lampenfieber tapfer ertragen, und so erhielten sie auch den verdienten herzlichen Applaus.
Bei dieser Veranstaltung spielen wir auch immer mit unserem Blockflötenkreis.
Letztes Jahr sprach mich nach Ende des Konzerts eine vage Bekannte an (die ebenfalls eine Veeh-Harfe hat), ich nenne sie mal U., man könne doch im nächsten Jahr (also 2023) mal gemeinsam mit den Veeh-Harfen auftreten. Ja, meinte ich da, das könne man wohl. Weiter bin ich damals nicht drauf eingegangen, weil ich aus der sehr kurzen Zeit, in der wir gemeinsam in einem Ensemble gespielt hatten, in Erinnerung hatte, daß sie auf dem Instrument nicht sonderlich versiert ist.
Als nun der diesjährige Herbst an den Himmel kam, erinnerte ich mich aber daran, daß ich die Idee als solche gar nicht schlecht gefunden hatte, und daß ich aus unserem Ensemble eine Frau, ich nenne sie mal K., kannte, von der ich sicher weiß, daß sie die Veeh-Harfe sehr gut spielt. Und mit ihr will ich jetzt einen Auftritt wagen. Sie war sofort dafür und freut sich auch darauf, ein bißchen anspruchsvoller zu spielen, als es mit einigen der Ensemblemitglieder nach wie vor nur möglich ist.
Heute jedoch rief U. bei mir an, die letztes Jahr ja den Vorschlag gemacht hatte. Und als ich ihr sagte, da sei sie jetzt reichlich zu spät dran, denn weil sie sich nicht gemeldet habe, habe ich jetzt mit K. einen Auftritt geplant, da beendete sie ziemlich verschnupft das Gespräch. Nur wenige Minuten später aber rief sie erneut an, und da legte sie los, mich zu beschimpfen, sie sei jetzt sowas von enttäuscht, ja sowas von enttäuscht, schließlich hätten wir vereinbart, daß wir beide zusammen spielen (was so nicht stimmt, s.o.), und schließlich hätte ich ja bei Person X und Person Y und überhaupt auch noch bei Person Z anrufen können, um ihre Telefonnummer herauszufinden und mich bei ihr zu melden! Jetzt habe sie sich EXTRA FÜR DIESEN TAG! eine neue Veeh-Harfe gekauft, und jetzt das! Da ich ohnehin schon die ganze Zeit über mit den Augen gerollt hatte, und mein Unbehagen immer größer wurde, weil sie mich nicht zu Wort kommen ließ, sondern bei jedem meiner Versuche, es zu ergreifen, nur immer lauter wieder und wieder wiederholte, wie enttäuscht sie jetzt sei, konnte ich weder noch stärker mit den Augen rollen, noch ihr sagen, daß ich das mit der neuen Veeh-Harfe jetzt aber nicht glaube! Und weil sie immer noch und immer noch nicht aufhörte mich anzuzetern, habe ich irgendwann einfach aufgelegt.
Nun ist es aber so, daß ich nicht wußte, ob sie nach wie vor in diesem Veeh-Harfen-Ensemble spielt. Deshalb rief ich K. vorsichtshalber an, um sie darauf vorzubereiten, daß U. sie wahrscheinlich über die Geschichte in Kenntnis setzen und möglicherweise bei der Veranstaltung, bei der sie zweifellos erscheinen wird, eine Szene machen wird.
Da meinte K. nur ganz trocken, mit U. auszukommen, sie schlechterdings unmöglich, das sei eine ganz schwierige Person, die erzähle einem das Blaue vom Himmel, wolle immer bei allem das Regiment führen, und Bedauern, daß U. schon ziemlich lang nicht mehr im Ensemble dabei ist, äußerte K. daher nicht. Und als ich ihr das mit der extra neu gekauften Harfe erzählte, lachte sie nur trocken auf und meinte „Dit gloobtse ja selber ni!“.
Nun, ich wollte K. einfach die Wahl lassen, ob sie trotz der Aussicht auf eine unangenehme Szene vor Ort dabei bleiben will, mit mir gemeinsam aufzutreten, aber sie meinte nur lachend: „Jetzt komm‘ ich grad‘ DESWEGEN!“.
Was sagt man da? Man freut sich und reibt sich die Hände.  

 

Leseherbst
Plötzlich und unerwartet

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