Frau Schletterer singt nicht mehr

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Ich hänge an der Nadel
08.09.2023 08:42

Seit ich Großtante bin – und das bin ich mittlerweile von vier Kindern – habe ich meine Handarbeitstasche quasi nicht mehr weggeräumt. Gut, ich hab‘ zwischendurch auch mal was für mich gestrickt oder gehäkelt, aber das Internet ist so voll von schönen Anleitungen für Kindersachen wie Kuschel- oder Spieltiere, daß ich im Grunde ständig damit beschäftigt bin, ein Schäfchen, Entchen, Elefantchen oder auch Kinderjacken und dergleichen zu nadeln. 
Immer wenn ich gerade eines dieser Figürchen fertiggestellt habe, drängt es mich, sogleich das nächste zu beginnen, und dabei verdränge ich gern einmal, daß das abschließende Zusammenfügen der Körperteile, also der Umgang mit der Nähnadel mir überhaupt nicht liegt und mir jedes Mal etliche Flüche entlockt. Da geht es mir aber offenbar wie den Müttern, die direkt nach der Entbindung die Schmerzen schon wieder vergessen haben. Ich bin dann so stolz auf mich, auch die schwierigste Aufgabe gemeistert zu haben, daß ich in der Euphorie sofort wieder zur Nadel greifen möchte.
Gut, meine Figuren haben meist ein etwas schiefes Lächeln im Gesicht, der Kopf sitzt auch nicht immer ganz mittig, und das linke Bein mag etwas weiter nach außen gedreht am Körper sitzen als das rechte – aber ich frage Sie: wer von uns ist denn schon komplett symmetrisch und hat zwei gleich lange Beine? Also!
Was mich jedoch am allermeisten dazu motiviert, mit meinen Handarbeiten immer weiterzumachen, ist die Freude, die ich damit schon bereitet habe. Meine Großnichte z. B. ist ganz vernarrt in ihre Schlafschäfchen. Das sind gehäkelte Schnuffeltücher mit Beinchen und einem Schäfchenkopf. Zunächst hatte ich ja nur eines gehäkelt. Aber als das dann mal in die Wäsche mußte, wußte die Mutter des Kindes (meine Nichte) keinen anderen Rat, als mich um die Anfertigung eines Zweitschäfchens zu bitten. Ganz klar, daß ich dieser Bitte sehr gern nachgekommen bin (wenn auch das Zweitschäfchen nicht annähernd so gut gelungen ist wie das „Original“).
Glück hatte ich bisher auch in der Wahl des Tieres, das ich für das jeweilige Kind ausgesucht habe. Für meine älteste Großnichte habe ich vor einiger Zeit einen Esel gestrickt – um dann zu erfahren, daß das Mädchen Esel ganz besonders großartig findet. Und für das andere Mädel habe ich zum letzten Geburtstag eine Ente gehäkelt – und habe auch dann erst gesagt bekommen, daß sie Enten über alles liebt.
Jetzt habe ich für die Ururgroßcousine meiner Frau einen Teddybären gehäkelt, und er ist momentan auf seiner Reise nach Frankreich. Das Porto hat fast mehr gekostet als das Garn, aus dem der Bär gefertigt ist, aber das ist es mir allemal wert – und ich bin ja soooo gespannt, ob auch das Bärchen freudig angenommen wird. Ich hab‘ schon gesagt, daß ich es gern selbst behalten werde, sollte es wider Erwarten nicht willkommen sein.

 

Spiel mit Leidenschaft
Heiter, heiter...

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